Geträumt haben wir acht Jahre. In unser Abenteuer Auszeit sind wir dann am 4. Oktober 2021 gestartet. Unsere Reise beginnt aber bereits im Frühjahr 2020. Denn so eine Auszeit zu planen beinhaltet unfassbar viel Recherche und Administration. Des Öfteren sind wir in dieser Zeit mit ernüchternden und unerwarteten Ergebnissen konfrontiert. Aber sich entmutigen zu lassen kommt für uns nicht in Frage. Unser Ziel fest im Blick machen wir trotz Hindernissen weiter.
Das Gefühl endlich am Ziel zu sein erreicht uns im Juli 2021, als wir uns auf der Gemeinde für Ende September auf unbestimmte Zeit abmelden und unsere Heimatscheine in die Hand gedrückt bekommen. «Gueti Reis und viel Spass!». Sagt die nette Dame am Schalter zu uns. Ich vergiesse kurz eine Freudenträne und sage zu Dominic: «Ich kann es nicht fassen, wir haben es geschafft!» Selbstverständlich stossen wir an diesem Abend auf dieses grosse Ereignis und den Startschuss unseres Abenteuers an. Es ist EM – Party all inclusive! Nach unserem letzten Arbeitstag Ende August wollen wir uns nun im September darum kümmern unsere auf Ende September gekündigte Wohnung leer zu bekommen. Die seltsamste Frage, welche uns in dieser Zeit immer wieder gestellt wird, ist wohl: «Und was macht ihr mit euren Möbeln?» Wir verstehen die Frage nicht. Denn obwohl wir unser Heim gemütlich eingerichtet haben, sind wir der Meinung, dass Möbel für uns nicht von emotionalem Wert sind. Also haben wir den meisten Dingen in unserer Wohnung ein zweites Leben verschafft, indem wir sie verschenkt oder verkauft haben. Von unserem ganzen Hab und Gut soll nur ein Bett, unser Fernseher, ein paar Küchenutensilien und unsere persönlichen Dinge wie Erinnerungsstücke aus der Kindheit, Fotos und Kleider eingelagert werden. Unsere Familien und Freunde unterstützen uns tatkräftig dabei und bieten uns Platz in ihren Kellern an. Wir führen eine Exceltabelle, damit wir irgendwann noch wissen, wo wir welche Dinge eingestellt haben. Wir sind vielleicht etwas verrückt, aber nicht dumm.
Was zu Anfang ein ziemlicher Spass ist, endet in einem ganz schönen Nerventheater. Für mich zumindest. Das Räumen will kein Ende nehmen. Diese Tatsache wird sogar zu einem Runninggag mit unserer Nachbarin, die uns fast täglich fragt: «Sind dr immerno am Ruume?» Wir können irgendwann nicht mehr wirklich darüber lachen.
Wir wünschen uns nur noch, dass die Wohnungsabgabe endlich vorbei ist und wir in unserer Einzimmerwohnung auf vier Rädern losfahren können!
Trotzdem: Schön war’s im Dianapark zu wohnen. Nicht zuletzt wegen unserer liebenswerten Nachbarschaft.
Aber zurück zu unserer Geschichte.
Zwei Tage vor Wohnungsabgabe haben wir noch ein paar Dinge an Ferris zu erledigen. Unter anderem möchten wir seinen Wassertank nochmals füllen, um ihn zu reinigen. Wir dürfen am Haus von Freunden in Magden etwas Wasser abzapfen. Beim Parkieren vor dem Haus stosse ich auf Widerstand und wir hören ein «Chchchchch-Quiiiiitsch!». Am Fenster der Fahrerseite fallen Stücke zu Boden. Ich habe das Dach des Nebengebäudes touchiert! WTF! Dominic springt wutentbrannt und laut schimpfend aus dem Auto. Ich wünschte ich könnte jetzt im Erdboden verschwinden. Habe ich unser Dach vier Tage vor Abfahrt geschrottet? Mir wird schlecht. Als wir uns die Situation etwas genauer betrachten, haben wir «nur» das Dach des Nachbarn beschädigt. Unsere Rehling hat zwar eine leichte Delle, aber das Dach ist heil! Glück im Unglück. Trotzdem ärgern wir uns noch Tage und Wochen später über dieses Missgeschick. Mein Missgeschick… Mea culpa.
Die Wohnungsabgabe geht rasant über die Bühne. Innert zehn Minuten ist alles erledigt. Das Haus wird sowieso grundsaniert, also bekommen wir unser komplettes Mietzinsdepot zurück (obwohl Dominics "Man Cave" ziemlich verwüstet aussah). Juhu! Nach einem letzten Kaffee mit unseren Nachbarinnen steigen wir erlöst in «Ferris» ein und räumen erstmal richtig auf.
Doch warum ist der Boden in der Küche nass? Dominic schmeisst sich sofort ins Zeug und kriecht unter die Küchenzeile. Aha! Der neu montierte Wasserhahn, der gleichzeitig auch unsere Duschbrause ist, scheint zu tropfen. Zum Glück bekommt das mein geschickter Mann gleich wieder hin und wir können getrost weiter einräumen.
Ab heute wohnen wir also offiziell in unserem Büsli. Verrückt. Aber alles irgendwie noch nicht wirklich bei uns angekommen. Unser neues Leben ist ja auch erst ein paar Stunden alt.
Unser Abschiedsfest am nächsten Tag fühlt sich irgendwie nach Hochzeit, Geburtstag und Neujahr gleichzeitig an. Die Sonne scheint. Das Wetter ist uns wohlgestimmt. Mir ist bereits seit Wochen bewusst, dass mir der Abschied von Zuhause schwer fallen wird. Es ist für mich das erste Mal Langzeitreise. Dominic wirkt da etwas entspannter.
Wir verbringen einen wunderschönen Abschiedstag mit unseren Liebsten und Nächsten, durchtanzen die Nacht und vergiessen teilweise auch am Aufräumtag noch ein paar Tränen am Feuer beim «Würstli brötle». Ja, es war vor allem für mich ein tränenreiches Fest und wäre da nicht dieser grosse Wunsch und Drang nach unserem Abenteuer, ich wäre wohl geblieben (und hätte es mir nie verziehen!).
Wir durften uns von der Schweiz mit einer unbeschreiblich grossen Portion Liebe und Unterstützung von allen Seiten verabschieden. Wir sind euch allen unendlich dankbar und lieben euch!
Am Montagabend, 4. Oktober 2021, nach einem entspannten Besuch im Sole Uno und einer einstündigen Aromamassage (ebenfalls von einem lieben Freund organisiert), fahren wir mit etwas Wehmut, aber glücklich los. Direkt in eine Schlechtwetterfront.
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